1. Online-Seminar der dreiteiligen Seminarreihe "Biogasproduktion - Praxisbeispiele aus der Landwirtschaft" am 01. Dezember 2022
BERICHT
Kleine Hofbiogasanlagen bringen Vorteile
Referenten: Biogasanlagenbetreiber Josef Riedl aus Bad Feilnbach, Biogasanlagenbetreiber Atila Bursalioglu aus Pfeffenhausen und Dr. Thomas Venus von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL)
Dass Klein- und Kleinst-Biogasanlagen ihren Nutzen haben und für Betriebe rentabel sind, zeigte das erste von drei Online-Seminaren. Herr Riedl stellte seine Biogasanlage mit Vierecks- fermenter vor, die mit Gülle und Mist von 80 Milchkühen plus Nachzucht betrieben wird. Herr Bursalioglu zeigte, wie er mit einer Kleinstbiogasanlage (6,5 kW) und dem Einsatz von Pferdemist sein Haus heizen und Strom produzieren kann.
Jede Kilowattstunde Strom oder Wärme zählt
Das Seminar wurde von Karin Elbs, Mitarbeitern der ALB Bayern e.V. eröffnet. Herr Florens Dittrich (StMELF) freute sich in seinem Grußwort, dass mit diesen Veranstaltungen das digitale Angebot des Biogas Forum Bayern erweitert werden kann. Interessierte sollen auf diese Weise besser erreicht werden. „In diesen dramatischen Zeiten zählt schlussendlich jede Kilowattstunde Strom oder Wärme und es ist zu merken, wie wichtig die Diversität der Energieversorgung sowohl bei den Bezugsquellen als auch bei den Energiequellen als solche ist“, sagte er. Nur das schafft eine gewisse Unabhängigkeit. Wenn es sich dann noch um eine erneuerbare Energie handelt und das Klima geschützt wird, ist das fast unbezahlbar und der Sache ausgesprochen dienlich. Denn Kostensteigerungen sind nach Dittrich derzeit überall zu bemerken. Alle klimafreundlichen Optionen müssen genutzt werden, um aus dieser kritischen Situation herauszukommen. In Bezug auf die Landwirtschaft fällt der Blick hier auch auf Gülle, Reststoffe, die vielleicht bisher nicht so genutzt werden, wie man es könnte. In Bayern gibt es rund 100.000 landwirtschaftliche Betriebe. Etwa 40.000 davon sind Rinderhalter. Insgesamt sind es noch circa 2,9 Millionen Tiere, das entspricht durchschnittlich ungefähr 71 Tiere je Betrieb. Da kommt viel Gülle zusammen, die genutzt werden kann. Die Konzepte hierzu sind da. Neben dem sehr bekannten Rosenheimer Modell entwickeln Landwirte diskutierenswerte und übernehmbare neue Ideen. Biogaserzeugung ist für Dittrich ein sehr wichtiger Punkt auch der Kreislaufwirtschaft. Wichtig ist, dass die Praxis mitzieht, was an der Teilnehmerzahl (116 Personen) dieses Seminar zu erkennen ist.
Güllekleinanlagen als Ergänzung zur Viehhaltung
Dr. Thomas Venus (LfL) und selbst Bewirtschafter eines Mastschweinebetriebs in Rottal, führt in die Thematik kleiner Hofbiogasanlagen ein. Im Rahmen eines derzeit noch in Genehmigung befindlichen Projekts zur Planung eines Fermenters aus textilen Materialien (Folien) entstand die Idee zur dreiteiligen Biogas-Seminarreihe.
Warum also Gülle und Mist in Biogasanlagen verwerten, fragte Venus. Aus Umweltsicht entstehen durch die Wirtschaftsdüngerlagerung Methangas-Emissionen. Diese sind durch Vergärung zu Biogas und anschließende Verwertung reduzierbar. Aus gesellschaftlicher Sicht wird so ein Beitrag zur dezentralen Energieversorgung geschaffen. Auf der Ebene der Betriebe stellt Biogaserzeugung eine Diversifizierung des Einkommens dar.
Würde man die Gülle von allen Betrieben mit 100 bis 200 GV (Großvieheinheiten, Rinder und Schweine) vergären, könnten die Methan-Emissionen um 26 % vermindert werden, ergab eine Berechnung. Bezüglich der Förderung kommt immer wieder das Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG) ins Spiel. Bei der Überarbeitung im Jahr 2012 wurde die Sondervergütung für GKA eingeführt, für Anlagen, die mit weniger als 75 kW elektrisch installierter Energie Strom produzieren und dazu mindestens 80 % Gülle und Mist einsetzen. Damals gab es 25 Cent pro Kilowattstunde (kWh). Die Sondervergütung wurde in den späteren Revisionen des EEG beibehalten, veränderte sich jedoch immer wieder leicht.
Insgesamt sind in Bayern etwas mehr als 300 Güllekleinanlagen (GKA) bekannt — zwischen 20 und 30 GKA kamen in den letzten Jahren jährlich hinzu. Deutschlandweit gibt es rund 1.000 GKA.
Das neue EEG 2023 sieht für GKA vor, dass die Bemessungsleistung jetzt maximal 150 kW beträgt. Es gibt keine Pflicht mehr zur doppelten Überbauung. Voraussetzung ist weiterhin 80 Masse-% Gülle- und Misteinsatz beim Substrat, wobei neuerdings bis zu 10 % Kleegras angerechnet werden können. Bei der Vergütung gibt es eine Abstufung: Unter 75 kW sind es 22 Cent/kWh, über 75 kW nur noch 19 Cent/kWh. Die Herausforderung bei der Biogaserzeugung liegt darin: Mit einem Hektar Mais bekommt man ungefähr gleich viel Energie wie mit 15 bis 25 Kühen, deren Gülle und Mist aber auf den meisten Betrieben vorhanden ist. Eine GKA, also eine Hofbiogasanlage etwa unter 100 kW, bedeutet nicht gleichzeitig, dass es sich um einen kleinen Betrieb handelt. Besitzt man 100 GV, kann man damit eine Anlage mit 8 bis 25 kW betreiben. Gründe für diese große Spannbreite liegen zum Beispiel in der Betriebsgröße, im Haltungs- und Entmistungssystem, im Milchertrag und anderen Faktoren, die in den beiden Vorträgen diskutiert werden.
FACHVORTRAG
Dr. Thomas Venus
Hofbiogasanlage von Josef Riedl mit Gülle und Mist von 80 Milchkühen
Motivation: Wirtschaftsdünger energetisch nutzen
Landwirt Josef Riedl, Bad Feilnbach/Landkreis Rosenheim, berichtete über seine vor zwei Jahren in Betrieb genommene Hofbiogasanlage. Bei 120 GV kommt Riedl durch Mist und Gülle auf ungefähr 300 t organische Trockensubstanz (oTS) pro Jahr. Bei der Überlegung, wie er Wirtschaftsdünger energetisch nutzen könnte, ohne zusätzlich nachwachsende Rohstoffe anzubauen, stieß der Betriebsleiter auf das System QUH-Energie aus Reichenbach in der Schweiz, das ihn sehr überzeugte. Die technischen Voraussetzungen passten, wenn es auch kein fertiges Konzept für Deutschland gab. Es war zu überlegen, welche Planungsdetails erfüllt sein müssen, um die bestehenden Auflagen und Vorschriften einzuhalten. Umgesetzt wurde der Bau mit ortsansässigen Handwerkern. Für den Viereckfermenter musste die Statik neu berechnet werden. Den Brandschutznachweis gab es von dem Planer, der schon viele Projekte des Rosenheimer Modells realisiert hatte. Ein Sachverständiger aus der Umgebung erledigte beim Fermenterbau die Betonfremdüberwachung, die Erstabnahme, die Erstellung des Explosionsschutzdokuments. Das Inbetriebnahme-Umweltgutachten für das EEG war einmalig zu erbringen. Das Einsatzstofftagebuch ist jährlich zu führen. Erforderlich für die Baubegleitung war ein Sachverständiger nach AWSV (Verordnung Anlagen wassergefährdender Stoffe) und Wasserhaushaltsgesetz (WHG), der die Anlage auch vor der Inbetriebnahme abnahm. Des Weiteren waren notwendig Dichtigkeitsbescheinigungen, die Fermenter-Leckageerkennung, die Dichtigkeitsprüfung nach WHG (sämtliche Rohrdruckprüfungen). Zu beachten sind wiederkehrende Prüfungen.
Funktionsprinzip der Biogasanlage
Für das Funktionsprinzip günstig ist die Schieberentmistung. Spaltenboden und Güllekanäle hingegen bergen Nachteile. Als Vorgrube dient der bereits vorhandene Abwurfschacht der Schieberanlage. Eine Umwälz-und Umpump-Leitung wurde eingebaut und eine Tauchschneidpumpe daraufgesetzt. Man pumpt den Inhalt des Abwurfschachts um, mischt es dabei sehr gut auf und gewinnt so einen homogenen Substratbrei, bevor dieser in den Fermenter gepumpt wird. Bei dem Schweizerischen System ist diese Arbeitsweise von Vorteil. Josef Riedl war wichtig, dass seine Anlage nicht wirklich wie eine Biogasanlage aussieht. Der Gasballon wurde sehr gut auf der Fermenterdecke integriert. Darin vergärt das Substrat gasdicht bei 42 °C zu Methangas. Das Blockheizkraftwerk (BHKW) hat eine installierte elektrischen Leistung von 50 kW-el. Es dient der Umwandlung von Gas in Strom und Wärme. Ein Puffer wurde eingerechnet. Der elektrische Wirkungsgrad liegt bei 34,5 %, der thermische bei 69,5 %. Der Viereckfermenter (Faustzahl 5 qm pro GV, Riedl 600 qm) hat drei Zwischenwände (Pfropfenstromfermenter). In der ersten Kammer geht das Axialrührwerk der Länge nach komplett durch, in jeder Kammer befinden sich Paddel. Im Viereckfermenter findet im Gegensatz zum runden Fermenter das Gärsubstrat über die Verweildauer den Weg durch die Kammern durch, wird dabei komplett vergoren und wird am Ende des Vorgangs automatisch ausgeleitet. Das vergorene Substrat läuft selbständig in die bestehende offene Güllegrube, das Gärrestelager.
Bildergalerie zum Funktionsprinzip der Biogasanlage
Ökonomische Betrachtung
Die Anschaffungskosten für die Hofbiogasanlage betrugen etwa 320.000 Euro (inklusive 5 % Inflation). Bei anfallenden 300 t oTS als Substrat werden 134.156 qm Biogas erzeugt. Josef Riedl hat rund 250.120 kWh jährlichen Stromertrag. Pro kWh erzielt er 22 Cent, was Einnahmen von knapp 55.000 Euro/Jahr entspricht. Für Instandhaltung und betriebsgebundene Kosten (Eigenstrombedarf Pumpe, Rührwerk, Labor, Versicherung etc.) veranschlagt Riedl rund 16.000 Euro/Jahr. Rund 22.000 Euro Abschreibung (AfA) und Zins sind ebenso jährlich abzuziehen. Ohne Arbeitszeit (ca. 393 Akh/Jahr zu 40 Euro/Akh) kommt er auf einen kalkulierten Gewinn von 15.802 Euro/Jahr. Daraus folgert er, dass man die Kosten absolut im Griff haben muss, auf besonderen „Schnickschnack“ am besten verzichtet und stattdessen technische Anforderungen möglichst vom Gelände her löst. Die Eigenstromnutzung (rund 70 %, Zukauf 30 %) in der Viehhaltung (Milchstall, Roboter, Überstundeneinspeisung) sowie Wärmenutzung (viel Abwärme durch BHKW wird für den Fermenter und zu Heizzwecken genutzt) sind in der Kalkulation noch nicht enthalten und kommen „on top“ hinzu. Josef Riedl sagt von seinem System, dass es nach der Riesenherausforderung bei Planung und Bau durchaus Potenzial hat, aber in anderen Betrieben immer eine Einzelfallbetrachtung durchgeführt werden muss.
ZUM FACHVORTRAG
Hofbiogasanlage mit Gülle und Mist von 80 Milchkühen (Referent: Josef Riedl)
Hofbiogasanlage von Atila Bursalioglu; Strom und Wärme aus Mist von 30 Pferden
Motivation: Neues Wärmekonzept finden
Landwirt Atila Bursalioglu, Pfeffenhausen/Landkreis Landshut, erzeugt mit seiner Kleinstbiogasanlage Strom und Wärme aus dem Mist von 30 Pferden. Er war in erster Linie auf der Suche nach einem Wärmekonzept für sein Wohnhaus auf dem Gelände des vor acht Jahren übernommenen Hofs. In der Feststofffermentierung fand Bursalioglu die Lösung.
Funktionsprinzip der Biogasanlage
In die Biogasanlage wird hauptsächlich langstieliges Stroh eingebracht, das sich gut eignet, wenn man es zuvor mit dem Miststreuer „anschlägt“, hat sich herausgestellt. Einstreu von Sägespänen aus z. B. imprägniertem Holz sollte nicht genutzt werden, da sie Bakterienwachstum und Gasproduktion behindern. Wie bei anderen Biogasanlagen bringt auch Bursalioglu das Substrat nach etwa einwöchiger Ablagerung auf dem Misthaufen ein. So wird die Vergärung beschleunigt und es wird schneller Methangas gewonnen. Alter Mist gast schon von selbst aus und bringt später in der Biogasanlage kaum noch Methangasertrag. Von der aeroben Phase mit anteiligem Sauerstoff geht es recht schnell in die anaerobe Phase über. In dieser durchschnittlich 19 Tage dauernden Zeit, gast der Pferdemist hauptsächlich aus. Die optimale Temperatur für das Fermentieren liegt zwischen 40 und 60 °C. Darunter und darüber werden Bakterien nicht mehr so schnell aktiv.
Arbeitswirtschaftliche und ökonomische Betrachtung
Die anfallende Arbeitszeit gab Bursalioglu mit einmal pro Woche 1,5 bis zwei Stunde für einen Fermenterwechsel in drei Gärkammern inklusive Aufkehren an. Etwas zeitaufwendiger ist das Durchmischen des vorab gelagerten an sich sehr heißen Pferdemists per Radlader etwa ein- bis zweimal pro Woche und eine gewisse Bakterienpflege. Alle 1.000 Betriebsstunden ist der Kundendienst für das BHKW angesagt und die Gasmesseinheit muss geprüft werden. Alle Ersatzteile der erweiterbaren Anlage sind in der Region zu bekommen. Für die gesamte Investition veranschlagt der Betriebsleiter etwa 200.000 Euro. Durch den Prototypenaufbau kam Pöttinger der Familie sehr stark entgegen. Pro Jahr soll die Anlage rund 18.000 KW-el erzeugen. Nachdem das Handling des Pferdemists verbessert wurde, konnten im zweiten Nutzungsjahr 2022 aber bereits 20.000 KW-el bereitgestellt werden. Die Wärmeleistung liegt bei rund 36.000 KW-thermisch. Der Methangasertrag erreicht ca. 50%. Die thermische Leistung ist das, was bei der Familie Bursalioglu zählt. Das BHKW läuft circa 12 Stunden pro Tag und liefert etwa 6,5 KW. Über die Fernwärmeleitung kann das komplette Wohnhaus geheizt werden. Der Überschuss im Sommer soll im nächsten Jahr zum Beispiel für die Trocknung von Hackschnitzeln eingesetzt werden.
ZUM FACHVORTAG
Strom und Wärme aus Mist von 30 Pferden (Referent: Atila Bursalioglu)
Berichterstattung:
K. Elbs und E. Hormes
VERANSTALTER
- Arbeitsgemeinschaft Landtechnik und Landwirtschaftliches Bauwesen in Bayern e.V. (ALB)
- Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL)
- C.A.R.M.E.N. e.V.
Der Fachverband Biogas e.V.
ist Kooperationspartner der Seminarreihe
Finanzielle Förderung
Die Online-Seminare erfolgen mit finanzieller Unterstützung durch das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF).